Ein Kinddez01
ist (in) uns
geboren,
– und wie
haben wir es
aufgenommen?

(Dies könnte
ein Zitat
aus dem Buch
SCHULD“ von
Ferdinand von Schirach
sein, – oder
hab ich es doch aus dem Hörbuch
VERBRECHEN“ von
Ferdinand von Schirach
vernommen … ? )

 

Liebe Leser!

Vor zirka vier Monaten, zu jener Zeit also, von der österreichische Meteorologen bereits jetzt als Jahrhundert-Sommer sprechen, weil über mehrere Wochen hinweg außergewöhnliche Trockenheit und extreme Hitze das Land beherrschten und einem alleine das Aufheben und Aufschlagen eines Buches Schweißausbrüche bereitete, fuhr ich mit den OEBB, obwohl hinlänglich bekannt ist, dass an Tagen mit sehr hoher Temperatur nichts außer der Heizung in den Zugabteilen funktioniert (und die Bestätigung dieser Vorahnung mich dann auch noch innerlich zur Weißglut brachte), und ließ mich in die brütend heiße Bundeshauptstadt fahren, um dort, wie es schon mehrere Jahre meiner Gewohnheit entspricht, zu lesen, ausgiebig und konzentriert zu lesen, ein Vorhaben, das für Außenstehende angesichts des fast explodierenden Thermometers befremdlich, im Grunde verrückt erscheint, und ich war ja tatsächlich, als ich nach zweieinhalbstündigem Schwitzen den Wiener Westbahnhof verließ und mich Richtung Innenstadt dieses riesigen urbanen Backofens bewegte, alles andere als resch und frisch und aufnahmefähig für Lektüre, schon gar nicht für die nun anstehende Lektüre, die hohe Aufmerksamkeit verlangte, musste ich beim Anstehen an der Kassa noch denken, aber kaum hatte ich den für diesen Tag von mir präferierten Lesesaal, die Albertina, betreten, war mein Bedenken auf der Stelle verflogen, stand ich doch in einem perfekt klimatisierten Gebäude, in dem überdies keinem gleißenden Licht, stattdessen viel Ruhe Raum gewährt wurde, was ein Verweilen und Gehen und Lesen und Schauen auf angenehmste Weise ermöglichte, und so war ich bereit und offen, in den Bildern des österreichisch-irischen Künstlers Gottfried Helnwein (geb. 1948), für den das Wiener Kunstmuseum Albertina eine große Werkschau eingerichtet hatte, zu lesen, zu lesen, Bilder wie Bücher zu lesen, und mit jedem Raum, den ich durchschritt, blätterte ich weiter im Werk des Gottfried Helnwein, entdeckte ich ganz neue Seiten, interessante Lektüre, starker Lesestoff, und ich st… da…
plötzlich… und …
in einem kleinen Saal dieser Ausstellung …
gehängt, zwei … Wie wenn
es mir die Beine weggerissen hätte, obwohl ich doch wie erstarrt auf einem Fleck stand …

Ich war ergriffen
von den beiden großformatigen Gemälden. 310cm x 210cm. Schwarz-weiß. Doch
in allen GRAU-Tönen. Ja, es graute mir tatsächlich.
Als „Epiphanie I (Die Anbetung der Könige 3) – 1996“ betitelte Gottfried Helnwein das eine Bild, in dem ich „gut“ eine Stunde las, bzw. lesen musste.
Ein „Tabu-Bruch“ auch das Bild, das neben der „Anbetung der Könige“ gehängt war: „Epiphanie III (Presentation at the Temple) – 1998“.

Eiskalt lief es mir über den Rücken, und mir kam verständlicherweise Franz Kafka in den Kopf, der am 27.01.1904 in einem Brief an seinen Freund Oskar Pollak geschrieben hatte:

„Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.“

Helnwein-Lektüre. Nach über einer Stunde klappte ich zu und beeilte mich, das Ende der Ausstellung zu erreichen. Und da … Noch einmal DAS KIND (2009 gemalt), riesengroß im Bild (290cm x 198cm), rechts von der Ausgangstür gehängt: Das Kind (des Vaters Gottfried Helnwein), das ich eben noch auf dem (Opfer-)Tisch (in „Presentation at the Temple“) gesehen hatte, schaute mir, dem Besucher der Albertina, nach – mit einem Blick, der m… … .
Ich verließ die Helnwein-Ausstellung und stand (in vielerlei Hinsicht) draußen,
auf heißem Pflaster,
fröstelnd.

 

Liebe Leser,

für die Weihnachtsausgabe der fechila-INFO erschien mir eine Abbildung von „Epiphanie I – Die Anbetung der Könige“ von Gottfried Helnwein geeignet und schlüssig, fragte mich aber, ob sie auch passend ist. Schlussendlich überklebte ich dieses „Bild“ (siehe oben RECHTS) mit dem Cover von Ferdinand von Schirach’s Buch „TABU“, – und führte LINKS an, die Neugierige und Interessierte per Internet in die Welt des Gottfried Helnwein eintauchen lassen können.

Galerie-Lektüre, Helnwein-Lesestoff, schauen, lesen, schaudern, Gänsehaut, frösteln – und der Blick des Kindes an der Ausgangstür der Albertina:
Dazu fällt mir – diesmal sicher passend, zumindest für den Wintermonat Dezember – die Trilogie von Jón Kalman Stefansson ein:

„Himmel und Hölle“
„Der Schmerz der Engel“
„Das Herz der Menschen“

Island. Schnee. Kälte.
Aber auch viel Wärme durch den „Held“ der drei Romane: ein Junge, ein KIND.


Der TABU-Bruch eines Künstlers kann die Justiz beschäftigen. Aus diesem Grund möchte ich jetzt der „Verteidiger“ des „Über-Klebers“ des Helnwein-Bildes sein: „TABU“ von Ferdinand von Schirach.
In einer Verlagsaussendung heißt es zu diesem Buch:
„Ein Künstler und ein Anwalt versuchen zu begreifen, was Wahrheit ist … Ferdinand von Schirach’s neues Buch ist ein Künstlerroman, ein Justizdrama, und am Ende ist es eine Beschreibung der Abgründe des Menschen…“
So wie auch in „VERBRECHEN“ und in „SCHULD“ bedient sich Ferdinand von Schirach einer glasklaren Sprache. Jeder Satz präzise gesetzt. Jeder Absatz ein Einschnitt wie mit einem Skalpell. Seziert, der Mensch …

 

Nach so viel Helnwein und Frösteln und Stefansson und Winter und Tabu und … und damit mir nicht alles so schirach erscheint, stürze ich mich nun wieder in gute Unterhaltungsliteratur und schöpfe da aus dem Vollen:
Das Lesezentrum fechila hat diesbezüglich wieder j e d e  M e n g e Bücher angekauft!!

 

Einen stillen Advent, ein friedliches Weihnachtsfest und eine gottfriedlich-stille Lese-Zeit
wünscht Robert Templ.

 

PS: www.gottfried-helnwein.at ist „The official Website of Gottfried Helnwein“. Lohnend!!