Liebe Leser,
ich muss jetzt einfach petzen: Ende Februar dieses Jahres bekam ich von einem Flüchtling (einem 43-jährigen Iraker) eine Ohrfeige. „Das soll Konsequenzen haben!“, dachte ich. Nicht: Aug um Aug, Zahn um Zahn. Nein! Ich wollte auch nicht die Justiz mit diesem Fall betrauen, sondern zu einer viel schärferen Maßnahme greifen: Ich schrieb der Kronen-Zeitung. Die Redakteure dieser unabgehängten Zeitung wollten aber meine Zeilen partout nicht veröffentlichen, was für mich wie ein zweiter Schlag ins Gesicht war und somit der ganzen Ohrfeigen-Geschichte tatsächlich noch die Krone aufsetzte. – Hier mein verschmähter Schrieb:
Liebe Leserbriefe-Verfasser im Redaktionsteam, anbei sende ich Ihnen einen nicht fingierten, sondern einen echten Leserbrief, von mir selber verfasst (Bitte drucken Sie auch die dazugehörigen Fotos der drei Schriftsteller!):
„Wenn ein Buch auf den Kopf eines Lesers trifft, kann es ganz schön klatschen. Da meine ich jetzt aber nicht, dass jemand seinem Gegenüber eine saftige Ohrfeige verpasst, dass es nur so schallt, – und zwar nicht mit der flachen Hand ausgeführt, sondern mit einem Buch, das er dem anderen über die Ohren zieht. Nein! Nein! Ich denke da an das geistige Schädelkrachen. Ein Buch trifft den Kopf eines Lesers, der dadurch betroffen ist. Ein Buch kann eine innere Ohrfeige sein, die weh tut, aber auch heilsam ist für die grauen und ergrauten Zellen, quasi „gsunde Watschn“, um es hier einmal politisch unkorrekt auszudrücken.
Franz Kafka hatte dies in seinem Brief an Oskar Pollak (27.01.1904) noch viel drastischer ausgedrückt: „Wenn das Buch, das wir lesen, uns nicht mit einem Faustschlag auf den Schädel weckt, wozu lesen wir dann das Buch? […] Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.“
Da wird schon mehr als an eine Ohrfeige gedacht. Kafka’s Sätze gehen weit über das Schallende und Saftige hinaus. Man denkt hier eher an eine Verkehrte.
Was eine Verkehrte ist? Das lasse ich jetzt den Autor Wolf Haas erklären. In seinem wunderbaren Brenner-Krimi „Wie die Tiere“ steht:
„Verkehrte natürlich leicht zu erklären, mit der flachen Hand klatscht die Ohrfeige zwar lauter, brennt ein bisschen, beschämt dich bis auf die Knochen, tut aber weiter nicht weh, außer du hast Pech und es zerreißt dir das Trommelfell. Mit der Verkehrten klatscht es viel weniger, ist aber natürlich schon am halben Weg zum Faustschlag, weil die Knöchel sind hart und das Jochbein ist ja beim Menschen nicht viel wert, das geht schon aus dem Leim, wenn du falsch hustest.“ (S. 117 f.)
Liebe KRONE-Redakteur/innen, so eine Ohrfeige als Verkehrte habe ich von einem Irak-Flüchtling namens Abbas Khider (43 Jahre, z.Z. in Deutschland) versetzt bekommen, – und zwar durch die Lektüre seines Romans „Ohrfeige“ (Hanser-Verlag, 2016, 224 S.). Eine Verkehrte war es auch insofern, weil hier nicht ein Europäer ein Buch über einen Flüchtling verfasst hat, nein, verkehrt !, weil nämlich ein sehr betroffener Flüchtling einen Roman über uns europäische Asyl-Vergeber geschrieben hat. Interessant, so ein Blickwinkel! Noch dazu, wenn dieses Buch nicht als Anklage daherkommt, sondern mit Humor aufwarten kann. Nach der ersten Flut von sogenannten Flüchtlingsbüchern, die allesamt sehr wichtig sind (!), doch mit der Zeit schon ein bisschen depressiv machen können, tu es gut, so ein „Verkehrtes“ zu lesen wie das von Abbas Khider. Sein Roman „Ohrfeige“ kann einen am verkehrten Fuß erwischen, weil es provoziert, ambivalente Gefühle und dadurch Zweifel zulässt.“
Sehr verkehrte KRONE-Redaktion,
vielen Dank für die Veröffentlichung dieser Attacke auf meine Person. Ja, so eine Ohrfeige ist ein Schlag ins Gesicht und gehört somit in die Schlagzeilen.
Mit freundlichen Grüßen! R.T.
Sehr verehrte fechila-INFO-Leser,
hier der Klappentext zur „Ohrfeige“ von Abbas Khider:
Ein Flüchtling betritt die Ausländerbehörde, um ein letztes Mal
seine zuständige Sachbearbeiterin aufzusuchen. Er ist wütend
und hat nur einen Wunsch: dass ihm endlich jemand zuhört. Als
Karim drei Jahre zuvor von der Ladefläche eines Transporters
ins Freie springt, glaubt er in Frankreich zu sein. Bis dorthin hat
er für seine Flucht aus dem Irak bezahlt. In Wahrheit ist er
mitten in der bayerischen Provinz gelandet. – Er kämpft sich
durch Formulare und Asylunterkünfte bis er plötzlich seinen
Widerruf erhält und abgeschoben werden soll. Jetzt steht er
wieder ganz am Anfang. – Dieser ebenso abgründige wie
warmherzige Roman wirft eine der zentralen Fragen unserer
Gegenwart auf: Was bedeutet es für einen Menschen, wenn er
weder in der Heimat noch in der Fremde leben darf?
Jede Menge Neuerscheinungen stehen Ihnen im Lesezentrum zur Verfügung,
darunter sicher auch weitere „Verkehrte“.
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